Lagebeschreibung
Der Bahnhof Lietzow liegt am südlichen Ortsrand und trennt die eigentliche Ortschaft vom Kleinen Jasmunder Bodden ab.
Genau gesagt ist dies heute nur noch ein Binnensee, da keine direkte Verbindung zu anderen Gewässern besteht.
Daran ist nicht zuletzt auch die Bahn schuld, da für eben diese ein Damm vor der Ortschaft errichtet wurde.
Der Bahnhof Lietzow selbst verfügte bis zum Rückbau einiger Gleisanlagen im Jahr 2008 sowie bis zum Komplettumbau im Jahr 2010/2011 über
umfangreiche Gleisanlagen. Der Grund dafür lag in seiner Funktion als Rückhaltebahnhof für den Fährbahnhof Sassnitz.
Markant dabei waren die beiden äußeren Bahnsteiggleisen, welche noch im Bogen der alten Küstenlinie aus den Zeiten der Errichtung des Bahnhofes folgten.
Geschichte vom Bahnhof Lietzow
Erste Jahre als Haltepunkt
Der Bahnhof Lietzow wurde als einfacher Haltepunkt zusammen mit dem als Nebenbahn errichteten Streckenabschnitt Bergen
– Sassnitz (damals Saßnitz) am 01. Juli 1891 eröffnet. Anfangs gab es hier nur einen Bahnsteig sowie ein kleines Empfangsgebäude,
das den einfachen Ansprüchen genügte. Wenig später wurde der Haltepunkt auch für die Verladung von Gütern ausgebaut und erhielt
in diesem Zusammenhang eine Güterabfertigung sowie ein Ladegleis. Die Lage dieses Gleises sowie die alte Laderampe
ließen sich bis zum Umbau des Bahnhofes im Jahr 2010 noch ausmachen. Der Güterverkehr wurde offiziell am 1. November 1891 eröffnet.
Das Platzangebot rund um den heutigen Bahnhof war sehr bescheiden. Das Planum für die Gleise und Gebäude musste zunächst im Kleinen
Jasmunder Bodden aufgeschüttet werden. Ursprünglich reichte das Gewässer bis zur Hügelkante heran.
Das Schloss Lietzow
Die noch heute das Ortsbild prägende Villa „Schloss von Lietzow“ oder auch „Schlösschen Lichtenstein“ (Der Name stammt vom architektonisch ähnlichen Schloss Lichtenstein bei Reutlingen/ Schwäbische Alb) wurde direkt nach Vollendung der Bahnlinie auf dem Hügel in Lietzow erbaut. Auftraggeber war ein gewisser Baumeister „Bopp“, der maßgeblich für den Bau der Bahnlinie Bergen-Sassnitz verantwortlich gewesen ist. Somit ist das Schloss nicht nur beliebtes Fotomotiv in Verbindung mit dem Bahnhof, sondern steht tatsächlich im Zusammenhang mit der davor befindlichen Bahnanlage. Das Gebäude stand im Herbst 2014 für über eine Million Euro zum Verkauf.
Von den 20er Jahren bis zum Kriegsende
Um den Bahnhof Lietzow per Bahn erreichen zu können, wurde zwischen Kleinem und Großem Jasmunder Bodden ein Damm errichtet. Um die beiden Gewässer nicht komplett von einander abzuscheiden, wurde eine Lücke im Damm belassen und hier eine Drehbrücke für die Bahnstrecke errichtet. Diese war insbesondere für die Arbeit der Fischer und der damit notwendigen Passierbarkeit der Wasserwege unabdingbar. Die Brücke gab es noch bis ins Jahr 1960, bevor sie durch eine starre Betonbrücke ersetzt wurde. Im Jahr 1904 wurde die Nebenbahn Bergen-Sassnitz zur Hauptbahn aufgewertet, auf der täglich vier Schnellzugpaare verkehrten. Der Haltepunkt Lietzow wurde spätestens in den 1920er Jahren zum Bahnhof aufgewertet und erhielt ein zweites Bahnsteiggleis.
Mit Bau des Seebades Prora durch die nationalsozialistische Organisation „Kraft durch Freude“ wurde der Streckenabschnitt zwischen Bergen und Lietzow bis zum Jahr 1938 zweigleisig ausgebaut. Ebenfalls 1938 ging der Streckenabschnitt Lietzow – Binz in Betrieb. In diesem Zusammenhang erfuhr auch der Bahnhof Lietzow größere Umbauten. Um den dafür notwendigen Bauplatz herstellen zu können, mussten wieder größere Bereiche des Kleinen Jasmunder Boddens zugeschüttet werden. Ein neuer Zwischenbahnsteig, eine 370 Meter lange Ladestraße, drei Stellwerke sowie ein Schrankenposten wurden neu errichtet. Ebenfalls plante die Marine zu dieser Zeit einen Hafen mit Gleisanschluss im Großen Jasmunder Bodden. Dies hätte dem Bahnhof sicher noch weitere Bedeutung zukommen lassen, aber die Idee ging nie über das Planungsstadium hinaus.
DDR-Zeit
Nach Ende des Krieges wurde die Strecke von Lietzow nach Binz zunächst abgebaut, aber im Jahr 1952 wieder in Betrieb genommen. Auch der Bahnhof Lietzow erfuhr zu dieser Zeit wieder einige Umbauten. Das Wärterstellwerk „Low“ war zum Befehlsstellwerk „B2? geworden, dieses existiert noch und beheimatet heute das neue EStw Lietzow. Im Jahr 1957 erhielt der Bahnhof den Namen „Lietzow (Rügen)“. Der Bahnhof insgesamt bestand zu dieser Zeit aus den beiden durchgehenden Hauptgleisen, einem weiteren Hauptgleis sowie einem Nebengleis. Schnell zeichnete sich ab, das diese Kapazität für die zukünftige Nutzung zu gering sein würde. So gab es für die Mitte der 1960er Jahre bereits konkrete Umbaupläne, welche aber nicht realisiert wurden.
Konkret wurden die Pläne erst wieder mit Eröffnung der Fährverbindung zwischen Sassnitz und Trelleborg. Da im Hafen selbst kein ausreichender Platz zum Trennen und Zusammenstellen der Güterzüge vorhanden war, suchte die Reichsbahndirektion Greifswald nach einem geeigneten Bahnhof, welcher für Zugbildung und Trennung verwendet werden konnte. Hierfür kamen nur Bahnhof Bergen oder Lietzow in Betracht. Aufgrund des hohen Investitionsvolumens wurde zunächst Bergen bevorzugt. Die neuen Gleise für die Zugbildung bzw. Trennung sollten auf dem Gelände des ehemaligen Kleinbahnhofes entstehen. Letztendlich wurde hier aber doch zugunsten von Lietzow entschieden, obgleich in puncto Gleismenge und Gleisnutzung einige Abstriche gemacht werden mussten. Auch die zunächst geplante Umstellung auf Lichtsignale wurde erst mit Fertigstellung der Elektrifizierung im Jahr 1989 verwirklicht. Auch der Umbau umliegender Gebäude gestaltete sich schwieriger als zunächst angenommen. Letztendlich blieb es beim Umbau des Bahnhofs im Jahr 1971 bei zwei Hauptgleisen, fünf Nebengleisen, drei Kreuzungsgleisen, einem Ladegleis sowie zwei Stumpfgleisen. Das Ladegleis, welches zum Güterschuppen am Bahnhofsgebäude führte, wurde bereits bei Oberbauarbeiten im Jahr 1969 entfernt. Trotz dieser Verbesserungen blieb die Kapazität in Lietzow stets begrenzt, so dass genau geplant werden musste, welche Züge dort gebildet werden sollten.
Die ursprünglichen Bahnsteiggleise, welche in einem großen Bogen entlang der ursprünglichen Küstenlinie des Kleinen Jasmunder Boddens verlegt waren, wurden belassen und prägten jahrzehntelang das Bahnhofsbild. Im Jahr 1989 wurde der Bahnhof zusammen mit der Bahnstrecke elektrifiziert. Die Umstellung auf Hl-Signale erfolgte erst nach der Wende.
Wendezeit, Umbau und heutige Situation
Nach der politischen Wende in der DDR brach auch auf Rügen und damit auf dem Bahnhof Lietzow ein großer Teil des Güterverkehrs weg. Die einst knapp bemessenen Gleise des Bahnhofes wurden immer seltener genutzt. Bereits wenige Jahre nach der Wiedervereinigung lagen viele Bahnhofsgleise brach, nur ein spärlicher Restgüterverkehr bestand noch. Regelmäßig angefahren wurde der Bahnhof nur noch von den Personenzügen, welche von hier jeweils nach Sassnitz, Binz oder Stralsund fuhren und auch noch fahren. Der Güterschuppen existiert bis heute, wird aber nicht mehr von der Bahn genutzt. Heute ist hier eine Bibliothek mit dem passenden Namen „Bücherbahnhof Lietzow“ untergebracht.
Im Jahr 2007 wurden schließlich die Weichen zu den Nebengleisen ausgebaut. Die Oberleitungsanlagen ließ man zunächst unverändert. Erst im Jahr 2009 fand ein erster großer Rückbau auf dem Bahnhof Lietzow statt. Dabei wurden alle Nebengleise (bis auf einige Schwellen) entfernt und die Quertragewerk der Oberleitung der neuen Situation angepasst. Im Jahr 2010 begann dann schließlich der Umbau, wodurch der Bahnhof sein Gesicht komplett verändert hat. Alle Anlagen wurden auf einfache Betriebsverhältnisse zurückgebaut, so dass es heute nur noch zwei Haupt- sowie zwei Nebengleise gibt. Der Bahnsteig wurde durch einen komplett neuen Mittelbahnsteig ersetzt, dessen Überweg durch eine Schranke gesichert wird. So entfällt örtliches Personal zur Reisendensicherung. Durch den Umbau verlor der Bahnhof auch seine charakteristischen äußeren Bahnsteiggleise, welche noch den Streckenverlauf entlang des Kleinen Jasmunder Boddens aus der Gründerzeit der Bahnlinie anzeigten. Als letztes Relikt des alten Streckenverlaufs blieb noch für einige Monate die Fahrleitungsanlage ohne Gleise stehen, bevor auch sie entfernt wurde.
Die Signaltechnik wurde im Zuge des Umbaus auf KS-Signale umgestellt und im alten Stellwerksgebäude (B2) das Elektronische Stellwerk Lietzow untergebracht. Von hier aus soll in den nächsten Jahren ganz Rügen gesteuert werden. Im Zuge der Signalumstellung im Bahnhof Lietzow wurde auch die Strecke Lietzow – Binz auf EStw umgestellt. Die letzten Eisenbahner, mit Ausnahme der Fahrdienstleiter im EStw, wurden hier im Jahr 2011 abgezogen. Das Bahnhofsgebäude steht seit dem leer. Das Gebäude verfällt zusehends und wurde durch einen brennenden Müllcontainer bereits beschädigt. Ebenfalls ungenutzt ist der Schrankenposten am östlichen Bahnhofskopf, welcher eher an eine Gartenlaube erinnert. Der Bahnhof ist damit im modernen Zeitalter der Deutschen Bahn angekommen.
Quellen:
Blattsammlung GeraMond Verlag
Ausführliche Schilderungen von Mirko Schmidt